Ein digitaler Euro
Die EZB startet das Projekt für eine digitale Version der Gemeinschaftswährung. Die Zentralbank spricht von einem neuen Zeitalter. Aber noch sind viele Fragen ungeklärt.
- Text: Leon Stebe

Die Corona-Pandemie hat vieles verändert. Unter anderem hat sie dazu geführt, dass bargeldlose Transaktionen weiter zugenommen haben. Im Supermarkt, in der Bäckerei, an der Tankstelle. Überall werden immer häufiger Plastikkarten gezückt – statt dem Geldbeutel. Die Art, wie wir bezahlen, wandelt sich. Mit der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs muss sich auch die Europäische Zentralbank immer mehr auseinandersetzen. Jetzt stellt die EZB die Weichen für eine di- gitale Version der Gemeinschaftswährung. Der EZB-Rat hat im Sommer beschlossen, die Untersuchungsphase eines Projekts zum digitalen Euro einzuläuten. Dabei soll ausgelotet werden, ob und wie das Euro-System auch für Verbraucher:innen digitalisiert wird.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde sieht jedenfalls die Notwendigkeit, einen Gang hochzuschalten. Beim Startschuss dieser Probephase sagte sie: „Unsere Arbeit soll sicherstellen, dass Privatpersonen und Unternehmen im digitalen Zeitalter weiterhin Zugang zu der sichersten Form von Geld – dem Zentralbankgeld – haben.“ Die EZB setzen also jetzt auf einen Trend auf, den andere schon lange vorhergesehen haben. Große Tech-Konzerne wie Google, Facebook, Apple & Co arbeiten seit geraumer Zeit an digitalen Bezahlsystemen. Unabhängige Kryptowährungen wie Bitcoin sind ebenfalls eine Konkurrenz. Und auch die Zentralbanken anderer Länder setzen Europa unter Druck. So macht China bei der Entwicklung eines digitalen Yuan bereits große Fortschritte.
Wie soll der digitale Euro also aussehen? Bundesbankpräsident Jens Weidmann dämpft bereits die Erwartungen an das Projekt und plädiert dafür, schrittweise vorzugehen. Der digitale Euro werde voraussichtlich „kein Alleskönner“ sein. Die wichtigste Botschaft der EZB: das Digitalgeld soll das Bargeld nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen. Denkbar ist, dass eine Kundin im Café zum Beispiel ihren Espresso per App auf ihrem Smartphone bezahlt. Anders als bei EC-Karten oder a Zahlungssystemen würde es sich dabei nicht um das Geld auf den Geschäftsbanken handeln. Hinter dem digitalen Euro stünde faktisch die EZB. Das soll für Sicherheit und Stabilität auch im Krisenfall sorgen.
Dabei wird Skepsis laut. Die Banken wittern die Gefahr, dass ihr Geschäftsmodell weiter bröckeln könnte. Wenn sich an der Bank vorbei Transaktionen durchführen lassen, könnten sich viele Kunden vom eigenen Bankkonto ganz verabschieden. Das dürfte die EZB sicher nicht beabsichtigen. Deshalb ist es möglich, dass zunächst pro Kopf nur eine bestimmte Geldsumme digital zur Verfügung steht. Diese virtuelle Geldbörse könnte auch von den Banken selbst verwaltet werden. Die EZB muss zudem auch auf die Bedenken von Datenschützern reagieren. Sie fordern, den digitalen Euro so zu entwickeln, dass die Privatsphäre garantiert ist. Es besteht die Sorge, dass mit dem Digitalgeld auch eine zusätzliche Überwachung der Bürgerinnen und Bürger einhergeht.Die Europäische Zentralbank will in den nächsten zwei Jahren alle kritischen Stimmen anhören und abwägen. Auch die technischen Voraussetzungen sollen geklärt werden. Eines kann die EZB schon jetzt versichern: die Kerninfrastruktur für den digitalen Euro wäre deutlich umweltfreundlicher als bei den Kryptowährungen. Erste Tests hätten ergeben, dass der Energieverbrauch für die Durchführung zehntausender Transaktionen pro Sekunde deutlich geringer sei. Ein kleiner Seitenhieb auf alle Bitcoin-Fans. Alles andere bleibt dagegen noch sehr vage. Eine Taskforce der EZB soll nun die Eigenschaften und die Funktionalität festlegen. Dieser Prozess braucht Zeit. Es dürfte daher noch einige Jahre dauern, bis tatsächlich alle mit einem digitalen Euro bezahlen können.
LEON STEBE berichtete als Korrespondent aus Washington D. C. und Brüssel und arbeitet als freier Journalist in Berlin